Die Energie ins Haus bringen
Main-Echo Pressespiegel

Die Energie ins Haus bringen

Handwerk: In Schöllkrippen haben zwei Jungunternehmer als Betriebsnachfolger eine Schreinerei übernommen
SCHÖLLKRIPPEN  Sie ha­ben den Schritt in die Selbst­stän­dig­keit ge­wagt: Fa­bi­an Scharf (32) und Ma­nu­el Curs (48) ha­ben sich vor gut ei­nem Jahr in die Sch­r­ei­ne­rei vom Mi­cha­el Leis­ten­schlä­ger ein­ge­mie­tet und ei­ne ei­ge­ne GmbH ge­grün­det, die Kam­bi­um GmbH. Der Kon­takt kam über die Hand­werks­kam­mer zu­sam­men, die Be­triebs­über­nah­men ver­mit­telt.

Die Lage war für beide ideal, denn Scharf wohnt in Rodenbach, Curs in Aschaffenburg. »Da liegt Schöllkrippen genau in der Mitte.« Kennengelernt hatten sich die beiden bei ihrem früheren Arbeitgeber. Hier hatten sie auch die Idee zum gemeinsamen Schritt in die Selbstständigkeit.

Obwohl die Firma von Michael Leistenschläger auf dem Papier noch existiert, hat sich dieser nach und nach zurückgezogen und die beiden Neu-Unternehmer haben inzwischen den Betrieb komplett übernommen. Michael Leistenschläger habe sie dabei sehr unterstützt, erzählen sie.

Konzepte für den Innenausbau

Die beiden Jungunternehmer verstehen sich als eine Einheit. Michael Curs hat an der Fachhochschule Architektur studiert und erstellt Konzepte für den Innenausbau. Der Schreinermeister Fabian Scharf setzt diese dann um, so weit dies die Schreinerarbeiten betrifft.

Ihren Schwerpunkt sehen die beiden daher neben der Fertigung einzelner Möbel in der Beratung und im Umsetzen ganzer Raumkonzepte.

Aus dem Namen ihrer Firma »Kambium« erschließt sich die Philosophie des Unternehmens. Das Kambium ist die Wachstumsschicht am Baum, in der die Energie fließt. Scharf: »Wir fanden den Namen sehr passend für ein Unternehmen, das die Energie ins Haus bringen will.« Schließlich halte sich der Mensch, wenn er etwa im Home Office arbeitet, 70 bis 80 Prozent seiner Zeit in den eigenen Räumen auf.

»Digitales Handwerk«

Fabian Scharf ist dabei ein Verfechter dessen, was er »digitales Handwerk« nennt. Darunter versteht er die Visualisierung ihrer Ideen am Computer mit Hilfe von CAD-Programmen (CAD: Computer Aided Design). Das heißt, die Möbel werden am Computer entworfen und visualisiert, und danach umgesetzt.

Ein weiteres Faible von ihm sind ungewöhnliche Materialien. In seinem Meisterstück, einer Bar, hat er beispielsweise eine Rückwand aus gepressten Gerstenspelzen eingebaut. »Ich fand das sehr passend zum Whiskey, der darin steht.« Gerne verwendet er organoide Materialien, etwa gepresste Frühlingswiesen, als Zierelemente an seinen Produkten. Auch für Linoleum wirbt er. »Viele Leute denken, das ist Kunststoff, aber es ist ein natürliches Produkt.« Linoleum besteht aus Kalksteinmehl, Naturharzen und Leinöl.

Kunden über soziale Medien

Ihre Kunden haben sie teilweise von Michael Leistenschläger übernommen, zum Teil kommen diese aber auch über Bekannte oder Mundpropaganda. Sehr wichtig sei es auch, in den sozialen Medien, etwa Facebook oder Instagram, aktiv zu sein. Aber auch die analoge Werbung zieht. »Kaum hatten wir das Firmenschild aufgestellt, rief schon am nächsten Tag jemand an, der es gesehen hatte«, erzählt Fabian Scharf.

Inzwischen beschäftigen sie neben einigen Teilzeitkräften bereits einen weiteren Meister und vier Gesellen. Im September wird der achte Mitarbeiter in ihrem Betrieb anfangen und einen Lehrling wollen sie dann auch ausbilden, allerdings ist davor noch einiger Papierkram zu erledigen.

Stehen noch am Anfang

Obwohl sie sich inzwischen weitgehend eingerichtet und auch neue Maschine gekauft haben, sagen beiden, dass sie mit ihrer Firma noch am Anfang stehen. Es sei noch einiges umzuräumen und herzurichten.

Demnächst soll beispielsweise das Schaufenster im Gebäude in der Aschaffenburger Straße gestaltet werden.

Hintergrund: Betriebsnachfolgen

Viele Handwerksbetriebe in Unterfranken stehen vor dem Aus, weil die Besitzer aufhören wollen und keine potenziellen Nachfolger haben. Daniel Röper, Pressesprecher der Handwerkskammer Unterfranken, schätzt, dass bei rund 6000 der 19.000 Handwerksbetriebe in Unterfranken - also fast einem Drittel - in den nächsten 15 Jahren ein Besitzerwechsel aus Altersgründen ansteht.

Hier versucht die Handwerkskammer zu vermitteln. Dazu hat sie eine Betriebsbörse eingerichtet, um nachfolgeinteressierte Unternehmer und Existenzgründer zusammenzubringen. Auch bietet sie an, den oftmals sensiblen Nachfolgeprozess beratend zu begleiten - bis hin zu Kreditgesprächen mit Banken.

Dazu wird die Beratung von der Kammer maßgeblich durch die Ermittlung der jeweiligen Unternehmenswerte unterstützt. Geeignete Übergabemodelle würden unter Berücksichtigung rechtlicher, steuerlicher, betriebswirtschaftlicher sowie menschlich persönlicher Regelungsdimensionen dann gemeinsam mit dem Übergeber erstellt.

Eine Erfolgsquote dieser Bemühungen kann Röper jedoch nicht nennen. Jede Beratung sei individuell; bei manchen geht es nur um eine Frage, bei anderen dagegen sehr in die Tiefe. Das hänge immer von der Fragestellung ab. Allgemein könne er aber sagen, dass beim Schwerpunktthema Nachfolge maßgeschneiderte Lösungen im Mittelpunkt stünden, die den Unternehmen als neutrale Entscheidungsgrundlage dienen sol-len. ()

23.08.2023
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